Friedrich Dürrenmatt Friedrich Dürrenmatt wurde am 5. Januar 1921 in Konolfingen im Emmental geboren. Sein Vater war Pfarrer, sein Grossvater ein konservativer Nationalrat, der mit satirischen Gedichten den Bürokratismus anprangerte. Friedrich Dürrenmatt beneidete seinen Grossvater, weil dieser wegen eines besonders gelungenen Gedichts ins Gefängnis musste. Ursprünglich wollte Friedrich Dürrenmatt Maler werden. Deshalb wurde das malen in seinem Leben zur grössten Beschäftigung neben dem Schreiben. Er wurde aber von seinen Lehrern zu den Naturwissenschaften gedrängt. Diese Wissensgebiete interessierten ihn auch noch später und wurden zum Stoff für eines seiner grössten Werke, „Die Physiker“. Er besuchte in Bern das Gymnasium. Danach studierte er unter anderem Germanistik, Deutsche Literatur, Philosophie, Kunstgeschichte und Naturwissenschaften. Er machte aber keinen Studienabschluss, sondern begann während des Zweiten Weltkriegs zu schreiben. Er schrieb unter anderem für Zeitungen und begann auch Theaterstücke zu schreiben. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen erste abendfüllende Dramen. Indem er die noch nicht einmal fünf Jahre zurückliegende Vergangenheit aufarbeitete, versuchte er das Trauma vom Zweiten Weltkrieg zu beenden. 1950 gelang er durch einige Misserfolge in finanzielle Schwierigkeiten und begann deshalb wieder für Zeitschriften zu schreiben. Mit seinem Roman „Der Richter und der Henker“ gelang ihm dabei ein grosser Erfolg. 1952 schrieb er seinen zweiten Kriminalroman „Der Verdacht“. Dieser Kriminalroman war mehr oder weniger die Fortsetzung des ersten und wurde wieder ein Erfolg. Im selben Jahr zog er in sein Haus in Neuenburg. Nach seinen Erfolgen als Kriminalautor beschäftigte sich Friedrich Dürrenmatt mit den damaligen Gesellschaftsproblemen. So entstanden die wahrscheinlich wichtigsten Werke von Friedrich Dürrenmatt, „Der Besuch der Alten Dame“, das 1956 veröffentlicht wurde und „Die Physiker“ das 1961 herauskam. Nach der zweiten Hälfte der Sechziger-Jahre begann Friedrich Dürrenmatt fremde und eigene Stücke für das Theater aufzuarbeiten. Er beschäftigte sich nun sehr stark mit Theater. Während dieser Zeit reiste er unter anderem nach Russland, nach Nord- und Südamerika, nach Polen, in die damalige Tschechoslowakei, nach Israel, nach Grossbritannien, nach Ägypten, nach Italien und vor allem nach Deutschland und Österreich. In Deutschland war Friedrich Dürrenmatt anfangs berühmter und geschätzter, als in der Schweiz. Seine grossen Theatererfolge fanden deshalb vor allem am Anfang meistens in Deutschland statt. In den letzten Lebensjahren wurde das Verhältnis zwischen Friedrich Dürrenmatt und seinem Publikum, beziehungsweise seinen Kritikern immer gespannter. Am 14. Dezember 1990 starb Friedrich Dürrenmatt infolge eines Herzinfarkts. Er war damals 69 Jahre alt und lebte in seinem Haus in Neuenburg. Zusammenfassend kann man sagen, dass Friedrich Dürrenmatt nicht nur viel schrieb, sondern auch malte. Das wird auch durch diese Zitat bestätigt: „Meine Zeichnungen sind nicht Nebenarbeiten zu meinen literarischen Werken, sondern die gezeichneten und gemalten Schlachtfelder, auf denen sich meine schriftstellerischen Kämpfe, Abenteuer, Experimente und Niederlagen abspielen.“ Friedrich Dürrenmatt konsumierte Alkohol und Tabak in nicht gerade kleinen Mengen. Das war vielleicht auch die Ursache für den tödlichen Herzinfarkt. Nun werde ich euch die Ansichten und Denkweisen von Friedrich Dürrenmatt etwas näher bringen. Dazu erzähle ich euch zuerst ein paar Zitate, die ich im Centre Dürrenmatt in Neuenburg gefunden habe. „Ich bin ein Pfarrerssohn. Ich habe immer an Gott gezweifelt. Im klassischen Sinne. Ich hielt Gott für möglich, aber nicht für sicher.“ „Ich bin Atheist. Ich halte Gott für die fruchtbarste und zugleich furchtbarste Fiktion des Menschen.“ Diese zwei Zitate zeigen, dass der Pfarrerssohn Friedrich Dürrenmatt nicht an Gott glaubte. Weiter erfahren wir, dass Friedrich Dürrenmatt alles in Frage gestellt hatte, so auch Gott und die Religion. „Meine Freiheit als Künstler besteht darin, dass ich mit dieser Welt spielen kann.“ „Dramaturgie des Labyrinths: Indem ich die Welt in die ich mich ausgesetzt sehe, als Labyrinth darstelle, versuche ich Distanz zu ihr zu gewinnen, von ihr zurückzutreten, sie ins Auge zu fassen wie ein Dompteur ein wildes Tier. Die Welt, wie ich sie erlebe konfrontiere ich mit einer Gegenwelt, die ich erdenke.“ „Nur das Komödiantische ist möglicherweise heute noch der Situation gewachsen. Wer verzweifelt, verliert den Kopf; wer Komödien schreibt, braucht ihn.“ Diese Zitate bestätigen uns, dass Friedrich Dürrenmatt alles in Frage stellte. Er hinterfragte alles, was uns hier als normal erscheint. Die Welt, das Leben, Gott, die Technik. Nun werde ich euch ein Werk von Friedrich Dürrenmatt etwas näher vorstellen. „Die Physiker“ Dieses Stück handelt in einem Salon der Villa eines privaten Irrenhauses. Im südlichen Neubau sind Prominente und Schwerreiche einquartiert, wodurch sich das Irrenhaus finanzieren kann. In der nun schon etwas alte Villa, werden nur noch drei Physiker beherbergt. Ihre Zimmer grenzen an den Salon. Das Irrenhaus wird von Dr. h. c. Dr. med. Mathilde von Zahnd geleitet. Es ist kurz nach halb fünf Uhr nachmittags. Aus einem der Zimmer dringt Geigenspiel mit Klavierbegleitung. Auf dem Boden des Salons liegt die Leiche einer Krankenschwester. Im Raum herrscht Unordnung. Um die Leiche bemühen sich mehrere Kriminalbeamte. Inspektor Richard Voß befragt gerade die Oberschwester zur Person des Opfers und des Täters. Über den Täter muß er erfahren, daß es sich um Ernst Heinrich Ernesti handelt. Ernesti ist einer der drei Physiker, er hält sich für Einstein. Während der Inspektor auf die Leiterin des Hauses wartet, betritt Herbert Georg Beutler den Salon. Beutler, der sich für Newton ausgibt erkundigt sich nach dem Lärm, der im Salon herrscht. Als Newton erfährt, daß Einstein seine Pflegerin erdrosselt hat, wundert sich Newton, wie man nur eine Krankenschwester erdrosseln kann. Der Inspektor entgegnet ihm, daß auch er, Newton, eine Krankenschwester erdrosselt hätte. Newton erklärt dem Inspektor, daß es bei ihm ganz anders gewesen sei. Seine Krankenschwester hätte sich in ihn verliebt, und er erwiderte diese Liebe. Dieses Dilemma sei nur noch mit einer Vorhangkordel zu lösen gewesen. Außerdem, so vertraut er dem Inspektor an, sei er gar nicht verrückt. Er tue nur so, damit Ernesti nicht verwirrt sei, denn Ernesti ist in Wirklichkeit Newton und er ist Einstein. Nach diesem verwirrenden Gespräch betritt die Leiterin des Hauses den Raum. Als ihr der Inspektor von seinem Gespräch mit Newton erzählt, meint sie, daß er das jedem erzähle, daß er sich aber tatsächlich für Newton halte, denn sie bestimme in diesem Haus für wen sich ihre Patienten halten. Der Inspektor weist Frau Zahnd darauf hin, daß der Staatsanwalt nach diesem zweiten Mord nun darauf besteht, daß starke männliche Pfleger die Betreuung der drei Physiker übernehmen müssen. Nach einigem Zögern gibt sie nach und sichert zu, daß sie hier von nun an männliche Pfleger einsetzen wird. Nachdem der Inspektor gegangen ist, erscheint Frau Rose mit ihrem Mann und ihren Kindern. Sie ist die ehemalige Frau von Johann Wilhelm Möbius, dem dritten Physiker. Frau Rose hat den Missionar Rose geheiratet und will sich nun von Möbius verabschieden. Sie erkundigt sich nach dem Befinden, und fragt ihn, ob ihm König Salomo noch immer erscheine. Möbius kann sich nur schwach an seine Kinder erinnern, und beginnt den Irren zu spielen. Er schüchtert seine Familie ein und wirft sie mit wüsten Beschimpfungen aus dem Raum. Nachdem die Familie den Raum verlassen hat, beruhigt Schwester Monika den aufgebrachten Möbius. Sie hat bemerkt, daß er gar nicht verrückt ist. Dabei gesteht sie ihm ihre Liebe und berichtet ihm, daß sie die Erlaubnis habe, mit ihm das Irrenhaus zu verlassen und in einem kleinen Dorf eine neue Existenz aufzubauen. Möbius ist das zuviel, und er erdrosselt sie. Nach diesem dritten Mord erscheinen nun riesenhafte Pfleger, die Türen werden abgeschlossen und die Fenster vergittert. Beim Mittagessen überrascht Newton die beiden anderen Physiker mit einem Geständnis. Er gesteht, daß er Alec Jasper Kilton sei, der Begründer der Entsprechungslehre, und daß er sich in das Irrenhaus eingeschlichen habe, um hinter das Rätsel von Möbius Verrücktheit zu kommen. Er sei Angehöriger eines Geheimdienstes und hat seine Krankenschwester nur deshalb umgebracht, weil sie seine wahre Identität erahnt hat. Er hält Möbius für den größten Physiker aller Zeiten, hat alle seine Dissertationen gelesen und muß ihn nun bewachen und notfalls entführen, falls sich ein gewisser Verdacht bestätigt. Nach diesem Geständnis gibt Einstein ebenfalls zu, daß er nicht verrückt ist. In Wahrheit ist er Joseph Eißler, der Entdecker des Eißler-Effekts. Auch er arbeitet für einen Geheimdienst, und seine Aufgabe ist es, Möbius zu bewachen. Nun bekennt auch Möbius, daß er eigentlich gar nicht verrückt ist. Er ist nur ins Irrenhaus geflüchtet, weil er hinter das Geheimnis der Schwerkraft gekommen ist und nun fürchtet, daß seine Entdeckung für die Menschheit verheerende Folgen hätte, wenn sie bekannt würde. Newton entgegnet Möbius, daß Physiker Pionierarbeit zu leisten hätten und daß die Erkenntnisse, die sie machen, der Menschheit zugeführt werden müssen. Ob die Menschen mit diesen Erkenntnissen richtig umgehen, sei nicht Sache der Physiker. Darauf meint Einstein, daß die Verantwortung des Physikers nicht außer acht gelassen werden darf, und daß nur der Physiker entscheiden darf, was mit seinen Erkenntnissen geschieht. Beide Agenten bemühen sich um Möbius und halten sich gegenseitig in Schach. Doch sie müssen sich eingestehen, daß nur Möbius selbst entscheiden kann, welcher Seite er sein Wissen zur Verfügung stellt. Da gesteht Möbius, daß er seine Manuskripte bereits verbrannt hat. Er begründet dies damit, daß er nicht in die Abhängigkeit von Politikern kommen möchte. Es fällt der zentrale Satz des Stückes: "Es gibt Risiken, die man nicht eingehen darf: Der Untergang der Menschheit ist ein solches" . Er hat sich daher entschlossen, sein Wissen nicht zu veröffentlichen. Die Menschheit ist nicht reif genug für sein Wissen: "Wir müssen unser Wissen zurücknehmen, und ich habe es zurück- genommen". Möbius bleibt im Irrenhaus. Nach diesem Geständnis entschließen sich auch Newton und Einstein, ebenfalls im Irrenhaus zu bleiben, als vermeintlich Irre wollen sie weiterleben: "Verrückt, aber weise. Gefangen, aber frei. Physiker, aber unschuldig.". Da erscheint die Leiterin des Irrenhauses mit ihren Pflegern im Salon. Zur Überraschung der Physiker werden sie von ihr mit ihren richtigen Namen angesprochen. Aus ihrem Mund müssen die Physiker erfahren, daß sie ihr Bündnis umsonst geschlossen haben. Seit Jahren hat die Anstaltsleiterin alle Manuskripte von Möbius heimlich fotokopiert. Sie will die Entdeckungen von Möbius zum erreichen der Weltherrschaft benutzen. Dies alles geschehe im Auftrage des goldenen Königs Salomo, der auch ihr erschienen sei. Es zeigt sich, daß die Irrenärztin selber geisteskrank ist. Dieses Stück ist gar nicht so unrealistisch, wie es auf den ersten Blick erscheint. Denn der Physiker Möbius entdeckt eine Formel, die alle Probleme der Physik löst. Er erkennt, welche Macht in dieser Formel steckt und opfert sein Leben, nur um die Menschheit vor dem sicheren Untergang zu bewahren. Erst am Ende erkennt er, daß es umsonst war: "Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden". Möbius steht in dem Stück stellvertretend für Albert Einstein. Einstein legte mit seinen Erkenntnissen den Grundstein für den Bau einer Atombombe und konnte, nachdem er die Gefährlichkeit seiner Erfindung erkannt hatte, die Herstellung nicht verhindern. "Im Sommer 1939 hätten noch zwölf Menschen durch gemeinsame Verabredung den Bau verhindern können (...). Doch sie taten es nicht." In den Werken von Friedrich Dürrenmatt ist immer die Macht ein zentrales Thema. In jedem seiner Stücke kommt eine grausame und machthungrige Person vor. Auch der Zufall spielt in seinen Stücken eine grosse Rolle. Er war ein zeitkritischer Autor mit Hang zur Groteske, zur schockierenden Verfremdung. Er versucht das Publikum zu irritieren, um es zum Nachdenken zu bewegen. Er schrieb wie ein Moralist, mit Satire und schwarzem Humor. Seine literarischen Vorbilder waren unter anderen auch Berthold Brecht und Moliere. Friedrich Dürrenmatt schrieb die meisten seiner Werke mehrmals um und übertrug sie in andere Medien. So gibt es vom Stück Achterloo vier verschiedene Fassungen. Friedrich Dürrenmatt sprach sogar von mehr als zwölf inoffiziellen. Im Haus von Friedrich Dürrenmatt in Neuenburg wurde im September das Dürrenmatt-Museum eröffnet. Dazu wurde das eigentliche Haus mit einem Museumstrakt aus schwarzem Schiefer ergänzt. Der Anbau wurde vom berühmten Tessiner Architekten Mario Botta entworfen. Für alle die etwas mehr über Dürrenmatt wissen wollen, oder sich seine Bilder oder Manuskripte anschauen wollen, ist das Museum ein Ausflug wert.